Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze und das Gras
verwelkt, und die Blume fällt ab und ihre schöne Gestalt verdirbt. Jak 1,11
Liebe Leserin, lieber Leser,
was waren das noch für unbeschwerte Zeiten, als wir Kinder waren. Die Sommer waren einfach nur Sommer. Monatelang waren kurze Hosen die Standardkleidung. Niemand interessierte sich für Hausaufgaben. So schnell wie möglich ging es nach der Schule ins Freibad oder an den See, da waren ja alle anderen auch. Man ernährte sich von Eis und Pommes. Sonnenbrand kam und verging auch wieder. Und den größten Jubel des Tages gab es, wenn nach der Pause die Durchsage kam, dass der Unterricht nach der vierten Stunde endet. Hitzefrei!
Wie schrecklich schön doch unsere Erinnerung die Vergangenheit glorifiziert. Und wie so ganz anders stellt sich die Lage dar, wenn man etwas genauer hinschaut.
Erinnert sich noch jemand an das Lied „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ von Rudi Carrell? Vor genau fünfzig Jahren, im Mai 1975, wurde es veröffentlicht und stürmte in jenem Sommer die Hitparaden. Der Erfolg kam nicht ganz zufällig. 1974 war einer der kältesten Sommer, den wir in Deutschland hatten. Die Fußball-WM 1974 wäre beinahe im Dauerregen abgesoffen.
Die Zehnerkarte fürs Freibad rentierte sich überhaupt nicht. Wer auf den Text des Liedes hört, merkt allerdings schnell, wie überzogen und satirisch es gemeint ist. Es verwies damals schon darauf, wie einen die Erinnerung (be-)trügt und gipfelt in der Aussage des Milchmanns, Schuld an dem schlechten Wetter ist nur die SPD. Aber eigentlich geht es in dem Lied gar nicht ums Wetter. Rudi Carrell macht sich lustig über Leute, für die früher immer alles besser war.
Die gibt es heute auch noch. Und in den seltensten Fällen wird ihnen klar, dass der Mensch sich immer nur an einzelne Punkte der Vergangenheit erinnert, die er meist noch nicht mal genau datieren kann, und die werden verallgemeinert.
Alles andere, was nicht in dieses Bild passt, wird einfach ausgeblendet. Und heute, wenn viele Menschen über die Hitze stöhnen und über die Dürre, wie im Juni? „Früher war es doch auch heiß“, hört man da von manchen, also stellt euch nicht so an. Wieder ein klarer Fall von Verzerrung der Vergangenheit in der Erinnerung. Selbstverständlich war es früher auch heiß. Aber was bedeutet „heiß“ in Zahlen? Meteorologen haben Zahlen und brauchen deshalb nicht auf ihre schwache Erinnerung zu vertrauen.
Und sie erklären uns unermüdlich: Die Durchschnittstemperatur steigt fast Jahr für Jahr. Es gibt mehr Sommertage (über 25 Grad), mehr Hitzetage (über 30 Grad), mehr Hitzewellen, mehr Extremwetter, mehr Starkregen in kurzer Zeit, sodass es dem Boden in der Menge gar nichts nützt. Wir haben gerade den heißesten Juni der letzten 150 Jahre hinter uns. (Vorher gab es noch keine verlässlichen Aufzeichnungen.) Klimawandel. Früher war es doch auch heiß. Und die Mediziner erklären uns, dass es für den menschlichen Körper, für unseren Organismus, einen großen Unterschied macht, ob es 30 oder 35 Grad hat.
Entsprechend viele Menschen, auch jüngere, bekommen Kreislaufprobleme. Die Todesursache Hitze gibt es medizinisch zwar nicht. Hitzetote gibt es aber sehr wohl. Es ist kaum zu erwarten, dass der Altmühlsee langfristig als Badegewässer erhalten werden kann. Bei Wassertemperaturen von 27 Grad fühlen sich Algen halt sauwohl, selbst wenn keine Überreste von Düngemitteln
mehr im See landen. Aus voller Kehle „Die güldne Sonne“ oder „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ zu schmettern, macht im Hochsommer keinen Spaß mehr. Wir sind mit der Anpassung an den Klimawandel noch längst nicht so weit, wie wir sein müssten. Vom Abbremsen des Klimawandels gar nicht zu reden. Was bleibt? Das ist bei jeder Hitzewelle in der Zeitung zu lesen:
Schatten suchen. Trinken, trinken, trinken. Keine körperliche Anstrengung bei Hitze. Und den Satz „Früher war es doch auch heiß,“ möglichst schnell vergessen. Und was nicht in der Zeitung steht: Gott bitten, dass er uns gnädig sei und wieder unbeschwerte Zeiten auf uns warten.
Übrigens: Das Münster ist tagsüber geöffnet. Da ist es kühler.
Einenschattigen Spätsommer wünscht Ihnen Ihr Pfr. Helmut Spitzenpfeil
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27.05.2025